Konferenz zum Themenschwerpunkt Integration
Lobbach. Ein zufriedenes Fazit der dritten Integrationskonferenz des Rhein-Neckar-Kreises zog Landrat Stefan Dallinger. „Integration ist kein Thema mehr, das sich nur um geflüchtete Menschen dreht. Wir müssen Integration immer mehr als Aufgabe der gesellschaftlichen Entwicklung begreifen. Und da ist es sehr wichtig, dass alle Akteurinnen und Akteure im Gespräch miteinander bleiben — das haben die Konferenz und die Workshops eindrücklich gezeigt“, so Dallinger, der selbst in Lobbach vor Ort war.
In der dortigen Manfred-Sauer-Stiftung waren am 17. Juli 2023 über 200 Menschen zusammengekommen, um sich unter dem Motto „Teilhabe gestalten – Gesellschaft stärken“ darüber auszutauschen, wie Integration so gelingen kann, dass alle Menschen davon profitieren.
Die Stabsstelle für Integration und gesellschaftliche Entwicklung hatte ein abwechslungsreiches und sehr interessantes Tagungsprogramm vorbereitet. Den ersten Denkanstoß gab Prof. Dr. Karim Fereidooni mit seinem Vortrag zum Thema „Rassismuskritik: Was muss ich wissen? Was kann ich tun? Was kann die Kommunalverwaltung leisten?“ Der Professor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum zitierte Zahlen aus Studien, die nachdenklich machen. So sei fast die Hälfte der Bevölkerung (49 Prozent) der Ansicht, dass es unterschiedliche „Rassen“ gäbe. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Karim Fereidooni zufolge von den 14- bis 24-Jährigen, die einer der rassifizierten Gruppen angehören, 73 Prozent berichteten, eigene Rassismuserfahrungen gemacht zu haben. „Es geht aber nicht um Schuldvorwürfe, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen und Rassimus besprechbar zu machen“, stellte der Experte und Keynote-Redner dar. In der Podiumsdiskussion griffen die Teilnehmenden Fereidoonis Vortrag auf.
Seine Mitdiskutantinnen Alina Papagiannaki-Sönmez (unter anderem Heidelberger OB-Kandidatin), Fadime Tuncer und Christiane Staab (beide Landtagsabgeordnete) waren sich einig, dass von allen Menschen Geduld für den eigenen Lernprozess notwendig sei. Das Ehrenamt könne weiterhin ein entscheidender Baustein für eine gelingende Integration sein.
Nach einem Poetry-Slam-Beitrag von Lamja Aazzouzi über den Rechtsextremismus in unserem Land und die Leitkultur-Debatte standen am Nachmittag vier Workshops auf dem Programm.
Sehr interaktiv und bewegungsreich ging es bei Mariette Nicole Afi Amoussou, Referentin für politische Bildungsarbeit, zu. Zum Thema „Vorurteile in uns! Wie begegnen wir Stereotypen und Rassismen?“ tauschten sich die Konferenzteilnehmenden nicht nur bei einem Speed-Dating untereinander aus, sondern bezogen auch im großen Kreis Position zu verschiedenen Fragestellungen, die das Thema Rassismus betrafen.
Beim Workshop „Vielfalt im Amt! Wie setzen wir das um?“ stellte Felicitas Fischer vom Jobcenter Rhein-Neckar-Kreis in Sinsheim vor, wie mit relativ einfachen Mitteln in ihrer Behörde via Farb-Wegweiser eine bessere Orientierung aller Kundinnen und Kunden erreicht wurde.
Ralph Klause vom Sozialministerium Baden-Württemberg stellte die gesetzliche Grundlage und grundsätzliche Überlegungen zum Diversity Management in Behörden vor und sammelte Ideen, um die Arbeit der Kommunen durch das Land weiter zu fördern.
Einen anderen Schwerpunkt setzte der Workshop „Leben im Quartier! Wie bringen wir Menschen nachhaltig zusammen?“. René Manthey, Vorsitzender vom Bürgernetzwerk in Hohentengen am Rhein, veranschaulichte zunächst Beispiele aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit.
Anschließend erstellten die Teilnehmenden in Kleingruppen kurze Videos („Reels“), in denen sie ihre Ideen zur Quartiersarbeit szenisch aufbereiteten. Es ging unter anderem darum, wie projekt- und themenorientiertes Engagement im Quartier stattfinden kann oder wie Engagierte nachhaltig für die Arbeit im Quartier gewonnen werden können.
Als Referentin im Workshop „Engagement in Nachhaltigkeit! Wie berücksichtigen wir (post-)migrantische Expertise?“ führte Dr. Rajya Karumanchi-Dörsam, Interkulturelle Promotorin für den Regierungsbezirk Karlsruhe, in die vielen Facetten des (post-)migrantischen Engagements ein. In einem globalen, entwicklungspolitischen Ansatz tragen diese nicht zuletzt zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bei. Jeweils drei Engagierte stellten ihre Arbeit in Kleingruppen vor und diskutierten mit den Teilnehmenden über Herausforderungen und die Möglichkeiten der Umsetzung im Rhein-Neckar-Kreis.
Nach vielen anregenden Diskussionen in den Workshops, die auch für jeden persönlich eine gute Gelegenheit zur Selbstreflexion boten, rundete eine Lesung mit der Bestseller-Autorin Florence Brokowski-Shekete die dritte Integrationskonferenz gelungen ab.
Landrat Stefan Dallinger dankte zum Schluss allen Teilnehmenden für die wertvollen Impulse und den Austausch. Er hob zudem die Arbeit der Ehrenamtlichen hervor, die unverzichtbar für die Integrationsarbeit blieben: „Dass viele von Ihnen sogar einen Tag Urlaub genommen haben, um an der heutigen Konferenz teilnehmen zu können, finde ich sehr beachtlich.“
Ein herzliches Dankeschön sprach der Landrat auch Dr. Alexander Dambach für die Moderation der Konferenz aus sowie der Integrationsbeauftragten Dr. Anne Kathrin Wenk, die mit ihrem Team diese Großveranstaltung – übrigens erstmals als „Green Event BW“ konzipiert – hervorragend organisiert und durchgeführt hatte.
„Mit unserer Konferenz konnten wir viele neue Begegnungen schaffen“, zeigt sich diese ebenfalls zufrieden mit dem Tag. „Wir haben neue Themen für die Integrationsarbeit im Rhein-Neckar-Kreis gesetzt. Die positiven Rückmeldungen zeigen uns, dass wir sie in Zukunft noch vertiefen sollten, zum Beispiel die interkulturelle Öffnung der Verwaltung oder das Thema Nachhaltigkeitsziele und entwicklungspolitisches Engagement.“
Die Stabsstelle für Integration und gesellschaftliche Entwicklung stand bereits einen Tag später in Dielheim erneut im Fokus, denn in seiner dortigen Sitzung am 18. Juli diskutierte und entschied der Kreistag über die Fortschreibung des Integrationskonzepts.
Mit ihren Angeboten fördert die Stabsstelle das Zusammenleben und gegenseitige Verständnis der vielfältigen Bevölkerung in der Region. Von besonderer Bedeutung ist dabei das große Netzwerk an Haupt- und Ehrenamtlichen, das sich in den letzten Jahren etabliert hat und fortlaufend weiterentwickelt. Neu in der Fortschreibung des Integrationskonzepts (2023 bis 2028) ist der Ansatz, dass sich Integrationsarbeit nicht mehr schwerpunktmäßig auf geflüchtete Menschen bezieht, sondern die gesamte Bevölkerung in den Blick nimmt. Durch ein teilhabeorientiertes Integrationsverständnis kann eine tatsächliche inklusive Wirkung der Maßnahmen erzielt und der soziale Frieden gefördert werden. Der Ansatz verdeutlicht sich in den Inhalten und Zielen von sieben Handlungsfeldern. Bei vier Gegenstimmen und sieben Enthaltungen stimmte der Kreistag schließlich mit großer Mehrheit der Fortschreibung des Integrationskonzepts des Rhein-Neckar-Kreises zu.